Durch den Bevölkerungsrückgang wird die Anzahl der Stadtbewohner in den kommenden Jahren weniger, Ausnahmen sind die deutschen Millionenstädte.
In vielen deutschen Großstädten (mehr als 80 Prozent) haben sich die Preise für Wohnraum in den vergangenen zehn Jahren erhöht. München ist Spitzenreiter mit einem Anstieg des Quadratmeterpreises um 95 Prozent. Der Grund: die Urbanisierung, Leben in der Stadt wird immer beliebter. Allerdings werden sich in den kommenden 15 Jahren die Städte und Regionen unterschiedlich entwickeln.
Das ergab eine Untersuchung der Postbank der 36 größten Städte bundesweit. Weniger als die Hälfte dieser Städte werden noch wachsen, trotz Flüchtlingszuzug. Was das für die Immobilienpreise bedeutet, zeigt der „Wohnatlas 2016 – Leben in der Stadt“.
Die Bevölkerungsentwicklung einer Stadt und die Preise am Immobilienmarkt hängen eng zusammen.
So lässt ein Bevölkerungsanstieg um ein Prozent die Preise für Eigentumswohnungen in Städten im Schnitt um 3,5 Prozent steigen, bei Einfamilienhäusern um 1,9 Prozent. Doch mit den Wachstumsraten der letzten zehn Jahre ist es möglicherweise schon bald vorbei.
Mit dem demografischen Wandel schrumpft auch die Anzahl der Stadtbewohner.
Sind in den vergangenen zehn Jahren noch zwei Drittel der 36 untersuchten Städte gewachsen, werden es bis 2030 nur noch zwei von fünf sein – den Zuzug durch Flüchtlinge bereits eingerechnet. Ohne diesen wäre es sogar nur ein Drittel.
In vielen Städten mildern neue Mitbürger, denen nach dem Asylverfahren ein Bleiberecht und damit eine Perspektive gewährt werden, den Bevölkerungsrückgang zumindest ab.
Vor allem der Osten kann vom Zuzug durch Flüchtlinge profitieren, während er in sehr beliebten Städten – im Osten und im Westen – Engpässe auf dem Immobilienmarkt noch verstärken wird. Die Studie geht davon aus, dass bis 2030 insgesamt etwa eine Million Menschen zuwandern – und der Zuzug damit etwa der Zahl der Flüchtlinge entspricht, die im Jahr 2015 ins Land kam.
Berlin wächst bis 2030 dank Flüchtlingen am stärksten.
Berlin kann durch den Flüchtlingszuzug ein Bevölkerungswachstum von 4,7 Prozent bis 2030 erwarten und steht damit an der Spitze der wachsenden Städte vor Potsdam (4,5 Prozent) und Hamburg (4,4 Prozent). Bremen, Leipzig und Köln entgehen aufgrund der Flüchtlingsintegration nur knapp einer negativen Bevölkerungsentwicklung.
In Berlin sorgen die Flüchtlingszahlen dafür, dass die Preise für Eigentumswohnungen um 14,5 Prozent und damit um mehr als sechs Prozentpunkte stärker anziehen könnten, als ohne den Zuzug zu erwarten gewesen wäre. In Hamburg sind aufgrund der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung Preissteigerungen um 13,9 Prozent bei Eigentumswohnungen zu erwarten. Der frühere Spitzenreiter München mit gut zwölf Prozent Bevölkerungswachstum in den vergangenen zehn Jahren bringt es unter Einbeziehung des zu erwartenden Zuzugs von Flüchtlingen in den nächsten 15 Jahren nur noch auf ein Plus von 1,6 Prozent.
Bei den Quadratmeterpreisen für Eigentumswohnungen lässt das eine bevölkerungsbedingte Steigerung von 4,4 Prozent bis 2030 erwarten. „Insgesamt werden die Preise in München voraussichtlich stärker steigen, da auch das rasante Wachstum der vergangenen fünfzehn Jahre in der Bayernmetropole nur zu 73 Prozent auf das Bevölkerungswachstum zurückgeht“, erläutert Dieter Pfeiffenberger, Bereichsvorstand Immobilienfinanzierung bei der Postbank. Faktoren wie die Erschließung von Neubaugebieten, der Ausbau der Infrastruktur oder die Ansiedlung großer Unternehmen beeinflussen die Preise zusätzlich.
„Der Flüchtlingszuzug hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Kaufpreis von Immobilien, aber er ruft sogenannte Kaskadeneffekte hervor“, sagt Pfeiffenberger.
So führt der höhere Bedarf an preisgünstigem Wohnraum zu Engpässen im Bereich der geförderten Wohnungen. Das wiederum zieht Ausweicheffekte nach sich: Die Nachfrage nach teureren Mietwohnungen steigt, das Mietniveau zieht an und mit ihm auch die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Häusern, was wiederum die Kaufpreise treibt.
*Vor dem Hintergrund der Zuwanderung von mehr als einer Million Menschen in 2015 und der Tatsache, dass bei 50 Prozent der entschiedenen Asylanträge in 2015 die Anerkennung als Flüchtling erfolgte, wurden folgende Annahmen für die Prognose getroffen:
► Etwa die Hälfte der Flüchtlinge aus 2015 erhält ein längerfristiges Bleiberecht.
► Die Zahl der Flüchtlinge geht aufgrund politischer Maßnahmen in 2016 und den Folgejahren gegenüber 2015 deutlich zurück.
►Es erfolgt weitere Zuwanderung über Familiennachzug.
► Insgesamt entspricht die Zuwanderung bis 2030 etwa der Zuwanderung im Jahr 2015, also einer Million.
► Die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer erfolgt wie im Jahr 2015 nach dem Königsteiner Schlüssel, der die Einwohnerzahl und das Steueraufkommen berücksichtigt.
► Die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Bundesländer auf die Kreise erfolgt nach Bevölkerungsanteilen.
**Prognostizierte Preisentwicklung auf Basis der angenommenen Bevölkerungsentwicklung inkl. Flüchtlingszuzug; Veränderungen des Verkaufspreises in Euro pro Quadratmeter
Wo sich Investments lohnen
„Wer glaubt, dass die Preissteigerungen in den Wachstumsstädten bald ein Ende haben, der irrt“, sagt Pfeiffenberger. „Die Studie zeigt: Ganz so steil wie in den vergangenen Jahren wird die Kurve zwar nicht mehr nach oben gehen, doch der Aufwärtstrend hält an. Wohneigentum in Wachstumsstädten und ihrem Umland ist daher nach wie vor ein lohnendes Investment. Wer in den eigenen vier Wänden leben möchte, sollte aber nicht zu lange zögern.“
Auch in Städten, deren Bevölkerung zurückgeht, muss dem Experten zufolge nicht auf Wohneigentum verzichtet werden: Gut geschnittenen und ausgestatteten Immobilien in attraktiven Lagen droht auch hier kein Wertverlust. In diesen Städten könnte es demnächst sogar attraktive „Schnäppchen“ geben.