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Mietendeckel? Günstig im Büro wohnen? Regierung machtlos gegen Mietwucher – FOCUS Online

Merkel machtlos gegen Mietwucher: Lösen leere Büros deutsche Wohnungsnot?

Die Mieten steigen in den Großstädten unaufhaltsam. Auch der Kauf des Eigenheims in begehrten Lagen wird für die meisten unbezahlbar. Zu wenig neuer Wohnraum wird gebaut. Es wird eng. Auch nach dem Wohngipfel der Bundesregierung bleibt das Thema eine Baustelle. Kann ausgerechnet die Corona-Pandemie eine Lösung bringen?

Wer in München nicht mehr als 30 Prozent seines Einkommens in eine durchschnittliche Wohnungsmiete stecken will, sollte mehr als 105.000 Euro brutto im Jahr verdienen. In Frankfurt am Main und Stuttgart kommt man hier schon mit gut 80.000 Euro Jahresverdienst an eine Wohnung, in Heidelberg rund 70.000 Euro.

FOCUS Online hatte im Januar untersucht, wie viel Geld man jeweils verdienen muss, um sich in einer Region eine Wohnung von 68 Quadratmetern anzumieten und dabei für die Miete nicht mehr als 30 Prozent Ihres Einkommens auszugeben. Laut Statistischem Bundesamt wohnen Singles derzeit auf durchschnittlich 68 Quadratmetern. Für manche doppelverdienende Paare mag die Miete kein Problem sein, manche werden einen höheren Anteil ihres Haushaltseinkommens aufwenden müssen, für die meisten Alleinverdiener wird die Miete in Deutschlands Großstädten jedoch unerschwinglich bleiben.

Und die Belastung für den Mieter nimmt unaufhaltsam zu: Die deutsche Mietwohnung wird von Jahr zu Jahr teurer. Die Preise für Häuser und Wohnungen steigen in den meisten Regionen Deutschlands seit Jahren unaufhörlich. In der Folge wird der Wohnungskauf daher immer attraktiver. Wer kauft statt mietet, spart deutschlandweit im Schnitt 48,5 Prozent, so das Ergebnis einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln. Mit anderen Worten: Eigentümer zahlen fast 50 Prozent weniger als Mieter fürs Wohnen. In Köln sind es sogar fast 60 Prozent. In 90 Prozent der 401 vom IW untersuchten Kreise und kreisfreien Städte schlägt Eigentum die Miete.

Und so steigen wegen der hohen Nachfrage nach Wohneigentum und der niedrigen Bauzinsen auch die Kosten fürs Eigenheim. Nach   Berechnungen des Baufinanzierers Interhyp stieg der durchschnittliche Kaufpreis einer Immobilie inklusive Nebenkosten von durchschnittlich 277.000 Euro im Jahr 2010 auf 434.000 Euro im 1. Halbjahr 2020 – ein Plus von 56,7 Prozent.

Fazit: Es gibt zu wenig Wohnraum in Deutschland. Die Preisspirale schraubt sich immer weiter nach oben.

Lesen Sie zum Thema auch: Hohe Preisunterschiede je nach Region – So viel Haus können Sie sich als Durchschnittsverdiener in Deutschland leisten

Sozialwohnungen auf dem Rückzug: zu wenig Wohnraum für die Armen

Bauminister Horst Seehofer (CSU) sieht die Bundesregierung bei der „Wohnraumoffensive“ hingegen auf dem richtigen Weg. Bei einer Bilanzveranstaltung in Berlin versichert er, bis zum Ende der Wahlperiode werde das selbstgesteckte Ziel von 1,5 Millionen neue Wohnungen erreicht. Die noch fehlenden Baumaßnahmen sollen noch im Laufe dieses Jahres auf den Weg gebracht werden.

Seehofer: „Allein im vergangenen Jahr sind trotz der Corona-Pandemie 300.000 Wohnungen entstanden. Das ist der höchste Stand seit 20 Jahren.“ Bei der Bekämpfung der Wohnungsnot sei man allerdings noch nicht am Ende des Weges: „Wir haben noch eine Menge zu tun.“

Zum Start der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen „Wohnraumoffensive“ vor knapp zweieinhalb Jahren hatte Seehofer insgesamt 1,5 Millionen neue Wohnungen versprochen. Bis Ende des Jahres werden es wohl 1,2 Millionen. Zusätzlich rechnet das Bauministerium mit etwa 770.000 Baugenehmigungen. Der Bund gebe für den sozialen Wohnungsbau eine Milliarde Euro pro Jahr aus, betont auch der Koalitionspartner der Union, die SPD. Man habe das Wohngeld angepasst, das Baukindergeld eingeführt und Sozialwohnungen gebaut – „auf hohem Niveau“.

So wurden zwar im Jahr 2019 bundesweit mehr als 25.000 Sozialwohnungen gebaut, doch gleichzeitig sind knapp 65.000 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen. Unterm Strich gab es also weniger Sozialwohnungen. Für die Gewerkschaft IG Bau ist die Offensive daher gescheitert. „In Sachen Wohnungsbau ist für diese Bundesregierung die Versetzung gefährdet“, sagte IG-Bau-Chef Robert Feiger. Die Mieten gingen durch die Decke, während alle zwölf Minuten eine Sozialwohnung vom Markt verschwinde. Die Mieten für einfache Wohnungen von Hartz-IV-Empfängern, für die der Staat die Kosten trägt, sind nach Angaben der IG Bau seit 2015 im Bundesschnitt um 28 Prozent gestiegen.

Auch nach Ansicht der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bringt die Wohnungspolitik der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD keinen Fortschritt: „Die Bilanz der Regierung ist niederschmetternd: explodierende Mieten, schwindende Sozialwohnungen, kaum bezahlbares Eigentum für Familien in Ballungsräumen, dazu mehr Leerstand und verödende Ortskerne.“ Nach Göring-Eckardt sei die Explosion der Mieten eines der drängendsten sozialen Probleme im Land: „Die Bundesregierung hat es nicht geschafft die Wohnungsnot in unseren Städten zu lindern, sie hat sie sogar verschärft.“ Weiterhin gingen viel zu viele Sozialwohnungen verloren. „Diesen sozialen Raubbau hätte Horst Seehofer mit einem neuen Gesetz, das Sozialwohnungen dauerhaft sichert, verhindern können.“

Der baupolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Bernhard Daldrup, will die Vorwürfe der Grünen nicht auf sich und der Koalition sitzen lassen: „Kritik und Forderungen der Grünen in Berlin stimmen mit ihrem Handeln in Ländern und Kommunen nicht überein. Immerhin sind die Grünen in elf Bundesländern an der Regierung beteiligt und ebenso in zahlreichen Kommunen politisch verantwortlich.“

Lösungen gefragt – nicht nur für Ballungsräume

Doch das politische Hickhack und Schwarze-Peter-Spiel hilft den Menschen nicht weiter. Und beim Thema Bauen und Wohnen geht es nicht nur um die großen Ballungsräume, sondern auch um Innenstädte und Dorfkerne. Dort stehen häufig Wohnungen leer, mitunter verfallen hier die Häuser. Um Stadt- und Dorfkerne attraktiver zu machen, schlägt etwa die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner vor, Hochschulen und Lehrstühle der Unis in ländlichen Regionen anzusiedeln, den Denkmalschutz flexibel zu gestalten und Abschreibungen bei der Steuer zu erhöhen. Zeulner ist Berichterstatterin für die Unionsfraktion im Bau-Ausschuss: Die Ansiedlung von Hochschulen auf dem Land hat für Zeulner mehrere Vorteile: „Es werden nicht nur bestehende Hochschulstandorte entlastet, sondern zugleich setzen wir hiermit gezielt Wachstumsimpulse in den ländlichen Räumen.“

Doch um die Attraktivität des ländlichen Raums zu steigern, benötigt es auch mehr an zeitgemäßer Infrastruktur wie etwa Breitband-Internet, Bahnanbindungen, mehr Einkaufsmöglichkeiten oder Krankenhäuser und Fachärzte – und natürlich Arbeitsplätze. Solange auf dem Land Mangel am Allernötigsten besteht, wird es die Menschen weiter in die Städte ziehen.

Und dort beklagen etwa der Eigentümerverband Haus und Grund und sein Präsident Kai Warnecke eine bloße Mangelverwaltung. Es gebe zu wenig Anreize zum Neubau von Eigenheimen und Mietwohnungen. Vermieter würden durch Vorgaben und Gesetze belastet, so Warnecke. Es müsse sich lohnen, Wohnraum anzubieten. Die Rendite privater Vermieter in Deutschland liegt nach Angaben des Verbands zwischen ein und zwei Prozent: „Die Objekte werden gekauft von denjenigen, die mit ihnen spekulieren wollen“, sagt Warnecke: „Sie haben keinen Bezug mehr zum deutschen Wohnungsmarkt.“ Rhetorisch fragt er: „Wer soll in Zukunft Ihr Vermieter sein? Der Bürger von nebenan oder der Fonds auf den Cayman Islands?“

Home-Office schafft Platz: Leere Büros zu Wohnungen umbauen?

Möglicherweise könnte ausgerechnet die Corona-Pandemie die Wohnungsnot in den Städten lindern. Denn wegen des derzeitigen Trends zum Home-Office steht in den Städten massenhaft Büroflächen leer. 325.000 Wohnungen könnten so in den kommenden vier Jahren neu entstehen, wenn man die Büros in Wohnungen umbauen würde. Das ist das Ergebnis zweier Studien des Eduard-Pestel-Institutes aus Hannover und der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus Kiel errechnet. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag die Zahl der fertiggestellten Wohnungen bundesweit bei 293.000.

Auftraggeber der Studien ist das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“, zu dem sich der Deutsche Mieterbund, die Caritas , die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau als Dachverband der Mauerstein-Industrie und der Deutsche Baustoff-Fachhandel zusammengeschlossen haben. Und die verbinden mit der Zahl klare politische Forderungen. Für die zusätzlichen Wohnungen müsse eine „strikte Sozialquote“ geben, damit Bürogebäude nicht zu Luxuslofts würden. Zudem müsse der Staat für den Umbau ein Sonderprogramm zur Förderung auflegen.

Ob es aber überhaupt so viele leerstehende Büroflächen gibt, die nicht mehr benötigt werden, ist umstritten. Die Idee hat aber Charme, weil sie nicht nur zur Linderung des Wohnungsmangels, sondern auch zur Stärkung der Innenstädte beitragen könnte. Doch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat jüngst in einer Umfrage ermittelt, dass nur 6,4 Prozent der Unternehmen in Deutschland planen, ihre Büroflächen zu reduzieren. Mehr Home-Office bedeutet also bis jetzt nicht, dass schon Büros in größerem Umfang frei werden. Und in gefragten Ballungsräumen wie etwa in der Region Stuttgart gibt es eher zu wenig als zu viel Büroflächen. Der Leerstand in der Landeshauptstadt lag im Herbst einer Studie zufolge bei lediglich zwei Prozent. Und die Mieten seien durch die Corona-Pandemie nicht gedrückt worden, hat das Immobilen-Analyseunternehmen Bulwiengesa im Auftrag der Stadt Stuttgart und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart ermittelt. Zudem sei die Nachrüstung der Büroflächen mit Küchen und sanitären Einrichtungen äußert aufwändig.

Mietendeckel für ganz Deutschland gefordert

Bleibt noch der umstrittene Mietendeckel aus Berlin. Könnte er das Allheilmittel für den höchst strapazierten Geldbeutel der deutschen Mieter sein? Nach Ansicht eines Bündnisses aus Gewerkschaft, Mieterbund und Sozialverbänden bleibt Deutschland keine andere Wahl. Sie fordern „Mietenstopp! Denn Dein Zuhause steht auf dem Spiel“. Ginge es nach dem Bündnis, sollten die Mieten auf dem jetzigen Stand bundesweit für sechs Jahre eingefroren werden.

Adolf Bauer, Präsident des Sozialverband Deutschland (SoVD): „Die Mietpreisentwicklung betrifft zwar alle gleichermaßen, macht aber vor allem Arme noch ärmer. Besonders benachteiligt sind Alleinerziehende, Rentnerinnen und Menschen mit Migrationshintergrund, aber auch Singlehaushalte und Bezieher von Transferleistungen“. Bauer will mehr Subventionen und eine stärkere Marktregulierung: „Nur durch mehr öffentliche Wohnungsbauförderung, mehr sozialen Wohnungsbau und mehr umsichtige Baulandmobilisierung können Spekulationen verhindert und preisgünstiges Wohnen gefördert werden.“

Doch in Berlin – dem Vorreiter in Sachen Mietendeckel – hat das Einfrieren der Mieten für bizarre Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt gesorgt. Zwar sanken laut einer   Analyse von ImmoScout24 zwischen September 2019 und September 2020 die Angebotsmieten für die vom Mietendeckel betroffenen Wohnungen um fünf Prozent von durchschnittlich 12,91 auf 12,26 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig verringerte sich das Gesamtangebot an Mietwohnungen in Berlin jedoch massiv um 41,5 Prozent. Das Angebot von Bestandsmietwohnungen sank sogar um 59,1 Prozent.

Dass der drastische Angebotsmangel in Berlin nicht durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurde, zeigt ein Blick auf die anderen Top-Metropolen in Deutschland. Denn in HamburgDüsseldorf, Frankfurt am Main, Köln, München und Stuttgart hatte das Wohnimmobilienangebot auf ImmoScout24 im gleichen Zeitraum anders als in Berlin deutlich zugenommen. So stieg in diesen Top-6-Städten das Gesamtangebot an Mietwohnungen im gleichen Zeitraum um 35,3 Prozent.

Die Vermieter zögern in Berlin wegen des Mietendeckels mit einer Neuvermietung. Viele verkaufen lieber ihre Wohnungen. Das Bundesverfassungsgericht will bis Juni über die Zulässigkeit des Mietendeckels entscheiden.

Wien und Amsterdam können Vorbilder für deutsche Großstädte werden

So bleibt es wohl noch für einige Zeit beim jahrzehntelangen Trend, sich ins Umland der Städte abzusetzen und zwischen Heim und Arbeitsplatz zu pendeln. Doch die so entstandenen Pendlerströme führen mittlerweile in vielen deutschen Großstädten zum Verkehrskollaps. Es fehlt vielerorts an Bahnanbindungen und dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Abhilfe würde wiederum günstiger Wohnraum in den Städten schaffen. Und so beißt sich die Katze wieder in den eigenen Schwanz.

Viele Stadtplaner befürworten daher den großangelegten Aufkauf von Wohnungen durch die Kommunen. Nur so könne man Mietsteigerungen und Immobilien-Spekulation in den Städten verhindern. Wien förderte bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren Wohnbau-Genossenschaften und baute zigtausende Gemeindewohnungen. Und noch heute sind 220.000 Wohnungen, die der Stadt Wien gehören. Damit hat Wien entzieht Wien einen großen Teil des Immobilienangebots dem spekulativen Immobilienmarkt.

Architekt und Stadtplaner Steffen de Rudder von der Bauhaus-Universität Weimar: „60 Prozent der Menschen leben in Wien im kommunal geförderten Wohnungsbau. Das ist großartig. In Amsterdam ist das ähnlich. Die Stadt ist im Besitz von großen Wohnungsbauprojekten und kann so mehr steuern. In vielen deutschen Städten wurde das aus der Hand gegeben. Was aber auch zeigt: Die Wohnungsfrage ist vor allem Sache der Politik, weniger des Städtebaus.“

Quelle: https://www.focus.de/immobilien/wohnen/wohngipfel-mietendeckel-guenstig-im-buero-wohnen-so-besiegen-wir-die-wohnungsnot-in-deutschland_id_13012963.html